Dipl. Phil. Patricia Gulde

Licht in Meisterwerken Christlicher Kunst

Unsere Sprache und Bildwelt und damit unser Denken in Metaphern und Symbolen ist reich an Ausdrucksweisen, welche dem Licht eine besondere Bedeutung zuweisen. Zuweilen geht uns ein Licht auf, wir rücken etwas ins rechte Licht, ein Kind erblickt das Licht der Welt, etwas leuchtet ein. Sein Licht sollte man nicht unter den Scheffel stellen …

Die fundamentale, natürliche, naturgeschichtliche und spirituelle Rolle des Lichts und seines wichtigsten Spenders, der Sonne, hat auch in der Kulturgeschichte der Menschen Spuren hinterlassen, die von Wissenschaft und Ästhetik, der Religion und Technik bis zu den Darstellungsmedien reicht. Bis heute können die Naturwissenschaften den physikalischen Charakter des Lichts nicht eindeutig erfassen. Unter bestimmten Bedingungen verhält es sich wie ein Materieteilchen, dann wieder wie elektromagnetische Wellen. Der Quantenforscher Arthur Zajonc resümierte 1994: „Je tiefer ich theoretisch und experimentell in die Quantentheorie des Lichts eindrang, desto wunderbarer erschien mir sein Charakter…Während der letzten Jahrhunderte hat man die künstlerischen und religiösen Aspekte des Lichts streng von seiner wissenschaftlichen Untersuchung getrennt. Ich glaube, es ist an der Zeit, sie wieder zu berücksichtigen, damit wir wieder ein vollständigeres Bild vom Licht gewinnen, als es eine einzelne Disziplin vermag.“

Während sich die Wissenschaft in der Auseinandersetzung mit dem Lichtphänomen um große Präzision bemühte, waren den Künstlern und ihren Auftraggebern die vielfältigen irrationalen Eigenschaften des Lichts für die Darstellung im Kunstwerk stets willkommen. In der europäischen Kunstgeschichte hat sich das Licht in Verbindung mit dem Christentum zu einem der bedeutendsten Gestaltungsmittel entwickelt.

Mittels Schulung der eigenen Wahrnehmung und Sensitivität erhält man als Student der Pranaheilung die Möglichkeit auch die feinstoffliche Erscheinung der belebten und unbelebten Natur zu erschauen, was in meiner persönlichen Erfahrung einer Initiation gleich kam.

Als Kunsthistorikerin erschlossen sich mir nun vertraute Werke christlicher Kunst auf einer tieferen Verständnisebene. Über den Symbolcharakter des Lichts weit hinausführend, kann die Auseinandersetzung mit der Multidimensionalität des Lichts zu einer Begegnung mit der letztendlichen Wahrheit und Wirklichkeit führen.

In zahlreichen Kulturen waren Licht und Sonne neben anderen Naturkräften leitend für die Gestaltung von Schöpfungsmythen und Gottesverkörperung. „Und Gott sprach, es werde Licht und es ward Licht“ heißt es in der Genesis. In diesem Zusammenhang verstehen wir Licht als Manifestation der Göttlichkeit, als kosmische Schöpfung, Logos oder universelles Prinzip in jeder Erscheinung. Ein großes Ausmaß an innerem Licht wird bei hochentwickelten Seelen auch als Erleuchtung bezeichnet. Licht steht ebenso für die Quelle des Guten, der Liebe und der Entfaltung des Lebens. „Aus dem Quell des Lichts im Denken Gottes ströme Licht herab ins Menschendenken. Es werde Licht auf Erden!…Durch das Zentrum, das wir Menschheit nennen, entfalte sich der Plan der Liebe und des Lichts und siegle zu die Tür zum Übel“. Aus der großen Invokation nach Alice Bailey

Das Bildlicht im Mittelalter

Der Sinn des mittelalterlichen Bildlichtes ist ein metaphysischer. Gott wird mit dem Licht oder dem lichtspendenden Feuer identifiziert. Gott ist Licht im eigentlichen, nicht bloß im bildlichen Sinne. „Gott ist Licht und es gibt keine Finsternis in ihm.“ Augustinus

Den Menschen des Mittelalters erschien das physische Gold als das herabgeholte Licht der Gestirne. In der christlichen Kunst scheint der Glanz des Goldes, das ewige Licht Gottes verkörpern zu können. Die Goldmosaiken an Wänden, Kuppeln und Apsiden zahlreicher Gotteshäuser, die Goldgründe der Buch- und Tafelmalerei stellten die Gestalten und Szenen der Heilsgeschichte vor einen ewigen Horizont. Der französische Abt Suger schrieb im 12. Jh. christlichen Kultgegenständen aus Gold, Silber und Edelsteinen eine über die ästhetische weit hinausgehende Wirkung auf das Gemüt der Gläubigen zu. Der Anblick von glänzendem Gold und farbigen funkelnden Steinen beschrieb er als Levitationserlebnis. Die edlen Gegenstände hätten ihn als Gläubigen von dieser niedrigen in eine höhere Welt versetzt. Damit beschrieb er eine mittlerweile in der Wissenschaft unbestrittene Wirkung solcher Materialien und ihrer Farben auf die menschliche Psyche und begriff ihre Betrachtung als religiöses Erlebnis.

Ein bemerkenswertes Zeugnis wie Licht sowohl in optischem Beleuchtungssinn als auch in spiritueller Bedeutungsebene zum Einsatz kommt, finden wir im Mosaik der goldenen Pfingstkuppel in San Marco, Venedig aus dem 12. Jh. Natürlich wirkendes Licht modelliert die Gewänder der zwölf im Kreis angeordneten Apostel. Über ihren Köpfen erscheint die Flamme, entzündet durch die Ausgießung des heiligen Geistes, welcher im Zentrum der Kuppel als Taube verkörpert ist. Die Lichtbrücke oder spirituelle Schnur über ihren Häuptern verbindet die Apostel mit der Quelle.

Gottvater, Heilige, Engel und Erleuchtete erscheinen in zahlreichen Kunstwerken selbst als Quelle des Lichts. Sinnbildlich ist hier ein Sendelicht gemeint, dass auch als Offenbarungslicht verstanden werden kann. In der Maria mit dem Jesusknaben im Strahlenkranz von Dalmasio aus dem 14. Jh. sind Irdisches und Sendelicht in besonders schöner Weise verwoben. Marias Aura mit Strahlenkranz auf Goldgrund ist die Quelle des Himmlischen Glanzes, welcher ihre Gestalt, die des Kindes als auch die anbetenden Engel im nachtblauen Himmel beleuchtet.

Licht in der Renaissance und beginnenden Neuzeit

Im Verlauf des 15. Jh. wird der Goldgrund zunehmend durch eine malerische Erfassung der Wirklichkeit abgelöst. So erscheint die strahlende Aura des 3- jährigen Mädchens in Tizians Wandbild Maria Tempelgang als gemaltes Licht.

Eindrucksvolles Sendlicht von außerordentlicher Leuchtkraft umgibt den Engel in Raffaels Wandbild Die Befreiung Petri aus dem Jahr 1514. Gleißend hell und doch transparent, durchstrahlt die Aureole des Engels das Kerkerdunkel. Mit großer Sicherheit beherrscht Raffael die Darstellung der Lichtreflexe und Schatten, ja er lässt sogar die Hand Petri virtuos durch die Aura des Engels dringen.

Ein besonders erhabenes Werk welches natürliches und transzendentes Licht vereint, ist die Sixtinische Madonna von Raffael aus dem gleichen Jahr. Das Gemälde zeigt die Epiphanie, die Erscheinung von Heiligen. Aufrecht und souverän schreitet die Gottesmutter über die Wolken. Durch ihre Bewegung bauschen sich Gewand und Schleier im Wind. Raffael inszeniert die überirdische Erscheinung der Maria mit neuen Mitteln. Um die Gestalt der Maria bildet sich eine Lichtgloriole, ein sakrales Leuchtlicht, hier eingelassen in die Atmosphäre des natürlichen Himmels, der aber andererseits durch die wolkenhaften Engelsköpfchen auch in figürlichem Bezug zum Himmel Gottes gesetzt ist.

Zeitgleich mit der Sixtinischen Madonna entstand unter der Meisterschaft Matthias Grünewalds, nördlich der Alpen, eine der bildgewaltigsten Schöpfungen gemalten sakralen Leuchtens – Die Auferstehung Christi im Isenheimer Altar. „Der Auferstehende entfährt mit herrlichem Schwung der Enge des schweren Sarkophags in die Unendlichkeit des Himmels aus der irdischen Nacht in die Glorie des Lichts.“ Georg Scheja

Die Ausstrahlung dieser Darstellung entfaltet sich aus der überwirklichen Gegensätzlichkeit einer Sonnenvision in der Sternennacht. In wunderbarer Einheit von Ruhe und Bewegung schwebt die Gestalt Christi in einem riesigen Kreisnimbus aus verschiedenfarbig fluoreszierendem Licht empor. Der innere sonnengelbe Kern der Gloriole hat das Andlitz und den Oberkörper Christi nahezu entmaterialisiert und das Gewand auf den Schultern gelb gefärbt. Dieser Kern wird umschlossen von einem Kreis roten Lichts, welches die Unterseite des Leichentuchs anstrahlt. Der rote Lichtkreis geht in einen äußeren blauvioletten über, dessen Wiederschein sich unten auf den Tüchern spiegelt. Aus den Wundmalen der zum Segensgestus empor gehobenen Hände fließen Strahlen goldgelben Lichtes. Jesus erscheint nicht im Licht, er ist selber Licht geworden. Grünewald hat als erster die Gestalt des Auffahrenden in einen Lichtleib verwandelt und hebt das Geschehen so auf die Ebene des Feinstofflichen. Die Auferstehung geschah nach Markus gleichzeitig mit dem Sonnenaufgang. Die Nähe des Göttlichen ist gleichsam bestimmbar durch eine immer intensivere Durchleuchtung und Entstofflichung. „Sein Antlitz leuchtet wie die Sonne“ Offenbarung 1:16

In diesem Sinne ist die Sonne das spirituelle Gleichnis Christi. Der Auferstandene, reine Liebe und Licht ausstrahlende Christus leuchtet ähnlich der uns vertrauten Darstellung des Herzchakras entgegen.

Die höchste spirituelle Erfahrung ist die unmittelbare Wahrnehmung Gottes, und um diesen Zustand zu erlangen, muss man das Herz läutern. Allein die Reinheit des Herzens ermöglicht die Verbindung mit Gott.“ Paramahansa Yogananda

Seelig sind die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.“ Matthäus 5.8

Das zentrale Anliegen der Mission Jesu war die Liebe. Erfüllt von allumfassender Liebe forderte er die Menschen auf, ihm auf dem Weg der Befreiung zu folgen und inspirierte durch sein Beispiel, Tugenden, wie Vergebung, Liebe für Freund und Feind und vor allem höchste Gottesliebe zu entwickeln. So verstehen wir die Worte: Dein Reich komme, in GMCKS Vater unser Meditation in Verbindung mit unserem Herzchakra als Einladung, uns mit der universellen Liebe zu identifizieren, die im Dienst am Nächsten zum Ausdruck kommt und ihm materiell und geistig hilft.

Eine der berühmtesten Darstellungen der Heiligen Nacht aus dem Jahr 1522 ist das Dresdner Gemälde von Correggio.

Die Szene der Geburt Jesu als Nachtstück darzustellen versteht sich nicht von selbst. In spätmittelalterlichen Bildern dieses Geschehens herrschte zumeist gleichbleibende Helligkeit. Mit zunehmender Beobachtung der Wirklichkeit beginnen am Ausgang des 15. Jh. niederländische und italienische Meister eine Nachtszene als solche zu zeigen. Correggios Heilige Nacht entwickelt ihre Wirkkraft aus einem stark kontrastierenden Helldunkel, einer Ausdrucksweise, deren eigentliche Entfaltung erst 100 Jahre später zu beobachten ist. Eine künstliche Lichtquelle, welche den Stall von Bethlehem beleuchtet, gibt es nicht. Das helle Strahlen geht ausschließlich vom kleinen Körper des Kindes aus und kann so als sakrales Leuchtlicht verstanden werden, in welchem Jesus selbst zur Lichtquelle im Bild wird. Die Komposition führt über eine Diagonale in das seelische Zentrum des Bildes – der Madonna mit dem Kinde. Hier ist das Licht so intensiv, dass sich kaum Schatten bilden und damit Körperliches gleichsam vergeistigt wird. Das Zentrum strahlt umso heller, als es vor dunklem Hintergrund steht, wo Joseph mit Ochs und Esel sichtbar wird und wo das nächtliche Land im Dämmer sich ausbreitet. Das vom Kind ausgehende Licht strahlt die Hirten, eine Säule und die Engelswolke in der linken Bildhälfte an und scheint so intensiv zu sein, dass die Bäuerin ihre Hand angesichts des blendenden Scheins vor ihre Augen hebt. Allein Maria, die Lichtgebärerin, hält dem Leuchten stand. Jesus, das Licht der Welt ist geboren. Sein Erscheinen symbolisiert auf religiöser Ebene neues Leben aus Gott. In diesem Werk geht es auch darum, die Macht und Wirkungsweise der göttlichen Sphäre in die Irdische hinein sichtbar zu machen, aber auch um die Anteilhabe des Irdischen am Göttlichen.

Auf den Betrachter des ausgehenden 16. Jh. mag Tintorettos Abendmahl mit seiner komplexen Lichtsymbolik wie eine optische Sensation gewirkt haben. Der schräg in die Tiefe des Bildraumes führende Abendmahlstisch wird einmal von der Öllampe am linken oberen Bildrand, sowie der Glorie Christi erleuchtet. Im Grenzbereich zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem heben sich transparent leuchtende Engel in himmlischer Körperlosigkeit als immaterielle Lichtwesen vom Raumdunkel ab. Sie scheinen von der Gegenwart und Strahlkraft Jesu angezogen zu sein. Auch um die Jünger herum bildet sich ein Lichtschein in Gegenwart ihres Meisters. Allein, um Judas am Tischende, fehlt der Nimbus. Irdische und transzendente Ebenen sind mittels der Lichtführung so miteinander verschmolzen, dass die Szene den Beginn des Sakraments als Einbruch des Göttlichen in die Wirklichkeit erfahrbar macht.

Rembrandt – Christus in Emmaus 1648

Für die Meister des 17. Jh. und insbesondere für Rembrandt war das Helldunkel eines der herausragenden Ausdrucks- und Gestaltungsmittel. Rembrandts Interpretation biblischer Themen ist stets eine von tiefer Menschlichkeit geprägte. Im Emmaus-Bild begegnet der auferstandene Jesus vor Jerusalem zwei Jüngern und gibt sich ihnen beim Abendmahl zu erkennen. „Da er mit ihnen zu Tische saß, nahm er das Brot, dankte, brach´ s und gab´s ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet und sie erkannten ihn.“ Lukas 24

Jesus hat seine sanftmütigen Augen zum Himmel gerichtet, die hinter ihm liegende Marter hat Spuren hinterlassen. Um sein Haupt zeichnet sich ein Nimbus ab, der ihn mit einem Kranz phosphoreszierenden Lichtes wie mit einem Glorienschein einhüllt. Jesus scheint Kraft seiner göttlichen Wesenheit aus sich selbst zu leuchten. Durch ein unsichtbares Fenster dringt Tageslicht ein. Das Nebeneinander von natürlichem und übernatürlichem Licht, Menschlichem und Göttlichem, Irdischem und Nichtgreifbarem ist in diesem Werk auf wunderbarerweise verwoben.

Durch alle Zeiten und Malstile ist das Licht wesentlicher Ausdrucks- und Bedeutungsträger, wenn es darum geht, Immaterielles, Geistiges, Transzendentes oder Erhabenes sichtbar zu machen. Licht darf als eines der ältesten Symbole aller Religionen gelten und ist daher Sinnbild der alles durchdringenden höchsten Quelle, des Einen, Großen, alle Finsternis überwindenden Göttlichen Seins.

Quellen:

Venedig, Reklams Kunstführer

Christliche Ikonographie in Stichworten, Sachs, Badstübner, Neumann

Lexikon alter Symbole, J. C. Cooper

Engel und Heilige, Claire Llewellyn

Himmlischer Glanz, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Katalog

Der Isenheimer Altar, Georg Scheja

Correggio, Johannes Jahn

Der Yoga Jesu, SRF Paramahansa Yogananda

Rembrandt, Fritz Erpel

Dresdner Gemäldegalerie Alte und Neue Meister, Manfred Bachmann

Erleuchtung eines Optikers, Zeit online über Arthur Zajonc

Pranaheilung lernen – eine gute Idee

Mit der berührungslosen Energieheilung hast du deine Energetische Hausapotheke immer dabei