Dipl.Phil. Patricia Gulde

Seit 2004 finden im Pranazentrum Dresden regelmäßig Zwei Herz Meditationen statt. An 6 Tagen im Monat wird Arhatic Yoga praktiziert. Zum festen Ritual der Anwesenden gehörte nach den Körperübungen und inneren Reinigungen das Aufbauen und Schmücken eines kleinen Altars.

So unterschiedlich die spirituelle Praxis in den verschiedenen Religionen und geistigen Schulen auch sein mag – allen gemeinsam ist das Bestreben, der göttlichen Gegenwart an einem besonderen Ort Präsenz zu verleihen. Auf der Suche nach einer Altarform für unsere Arhatic Yoga Praxis, basierend auf den Lehren von Grandmaster Choa Kok Sui, reifte seit langem der Gedanke, eine Meditationsskulptur zu entwickeln, in welcher die Sinnhaftigkeit unseres Übens eine sichtbare Form annimmt.

Die Künstler

Glücklicherweise gehören zu unserem Prana-Team zwei Künstler, welche sich mit Hingabe und Begeisterung der Umsetzung dieser Idee annahmen. Michael Grasemann als Holzbildhauer und Spielplatzgestalter mit einem riesengroßen Fundus an außergewöhnlichen Hölzern und einem ebenso großen Herzen, gab uns die Möglichkeit geeignete Bäume für den Altar auszusuchen. Auch die holztechnische Bearbeitung lag in seinen Händen. Im Restaurierungsatelier von Thaddäus Gulde wurden dann jene Elemente des Altars in 24 Karat Naturgold gefasst, welche die Aussage der Baumskulptur unterstreichen. Zuvor wurde das gesamte Holz von Ihm mit einem wachshaltigen Hartöl konserviert und oberflächenversiegelt. Mittels dieser Technologie erhielten die Hölzer nicht nur ihre satinartig weiche Optik, sondern zugleich eine Verstärkung der natürlichen Farbkontraste innerhalb der verschiedenen Wuchsformen. Der Kerzenhalter ist eine Schmiedearbeit des Dresdner Kunstschmiedes und Metallgestalters Wolfram Ehnert. Die blaue Perle zwischen Stamm und Flamme fertigte die Keramikerin Susanne Schmidt für unseren Altar an. Holztechnisches Geschick und schwere Technik, verbunden mit kompositorischer Inspiration und handwerklichem Feingefühl haben ein außergewöhnliches Werk hervorgebracht, dessen Ausstrahlung dem Pranazentrum eine wundervolle Kraft verleiht. Der größte Künstler des Werkes indessen ist der Schöpfer selbst, denn die besonderen Formen der Baum-Skulptur sind gewachsen. Als erfürchtig suchender Künstler bekannte schon Dürer zu Beginn des 16.Jahrhunderts:“ Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie“.

Das besondere Holz

Das Robinienholz der 3 Meter hohen Altarskulptur stammt aus dem Priesnitzgrund der Dresdner Heide. Man sieht den ehrwürdigen Stämmen ein bewegtes Leben an. Sie mussten extremen Wettern und Erdstrahlungen Widerstand leisten, Verletzungen der Rinde, die durch Blitzeinschlag oder übergroße Hitze entstanden waren, heilen. So bildeten sich unteranderem jene interessanten Formen, die der Baumkenner als Maserknollen oder Überwallungen bezeichnet. Selbst die Bruchstelle des rechten Baumes ist authentisch. Nach dem Fällen wurde der Baum geschält und mit hohem Wasserdruck behandelt. Auf einem 300 Jahre alten dicken Eichen-Sockelstamm sind vier Stammsegmente einer Robinie befestigt, von denen das niedrigste im Vordergrund die Altarkerze trägt. Die bekrönende Flamme, ist ein allein vom Fluss Verzasca im Tessin geformtes Kastanienholz. Eine harmonische Rahmung am Boden aus Robinienholz unterstreicht die Würde der Baum-Skulptur und schafft zugleich eine Ihrem Bestimmungszweck als Altar angemessene Distanz. Robinien sind mit ihren traubenförmig herabhängenden Blütenständen und interessanten Wuchsformen nicht allein Zierpflanzen und robustes Nutzholz, welches nahezu Eigenschaften von Tropenholz besitzt, sie liefern auch Bienen und Schmetterlingen im Frühsommer Nektar in großer Fülle. In der Pflanzenheilkunde und auch in der Homöopathie wird die Robinie, auch Robinia pseudoacacia genannt, bei Verdauungsbeschwerden und Schmerzen im Bauchraum eingesetzt. Ihrer Baumbedeutung nach soll sie Menschen, die sich niedergeschlagen fühlen, aufrichten und das Selbstbewusstsein stärken.

Der Aufstellungsort

Einer alten Tradition folgend, hat unsere Altarskulptur ihren Platz im Osten des Saales eingenommen. Ex oriente lux – im Osten geht die Sonne auf; Vom lateinischen Wort oriens, dass so viel wie Osten oder Morgen bedeutet, ist die Himmelsrichtung des Sonnenaufgangs ein Symbol der Auferstehung. Seit dem frühen Mittelalter wurden Längsachse, Chorraum und Hauptaltar der Sakralbauten nach Osten ausgerichtet, was in Richtung Himmlisches Jerusalem oder Paradies weist. Noch heute sprechen wir von orientieren, wenn wir uns in einer Situation zurechtfinden wollen.

Die Namensgebung

Wir haben die Meditations-Skulptur „Altar des Lebens“ genannt. Abgeleitet vom Baum des Lebens, eines der universellsten Symbole, welcher die Synthese von Himmel, Erde und Wasser verkörpert, steht er als Ausdruck dynamischen Lebens in der Mitte, als Verbindung zwischen den Drei Welten. Bäume symbolisieren zugleich das weibliche Prinzip, den nährenden, schützenden, Zuflucht gewährenden und tragenden Aspekt der großen Mutter. Buddha wurde unter einem Baum die Erleuchtung zuteil, weswegen der Baum im Buddhismusals das Zeichen der großen Erweckung gilt. Als Baum der Weisheit verkörpert er das absolute Sein Buddhas. In der Kabbala symbolisiert der Baum jegliche Schöpfung Gottes in der manifesten Welt. Dem Baum des Lebens entströmt der Tau des Lichtes, durch den die Toten auferweckt werden. Der Sepiroth-Baum hat wie unser Altar eine rechte und eine linke Säule, die die Dualität verkörpern. Eine mittlere Säule stellt das Gleichgewicht zwischen Ihnen her und so die Einheit. Der Baum des Lebens verkörpert auch Anfang und Ende eines Zyklus und hat 12 Früchte (vgl. 12 Chakren). Ein weitverbreitetes Symbol ist der umgekehrte Baum, welcher die wechselseitige Wiederspiegelung der himmlischen und irdischen Welt verkörpert und zugleich andeutet, wie die Erkenntnis an ihre Wurzeln zurückgeführt wird. Da der Baum sowohl gute als auch schlechte Früchte tragen kann, wird er ebenso als Abbild des Menschen gesehen. Der Baum ist verwurzelt in der Tiefe der Erde, am Weltenzentrum, steht in Berührung mit den Wassern und wächst so in die Welt der Zeit, setzt Ringe an, die sein Alter verkünden. Seine Zweige reichen bis in den Himmel der Ewigkeit. Sowohl der Baum des Lebens als auch der Baum der Erkenntnis wachsen im Paradies. In der Mitte des Paradieses steht der Baum des Lebens und bedeutet Regeneration und Rückkehr zum uranfänglichen Zustand der Vollkommenheit. Er ist die kosmische Achse und Symbol der Einheit, über Gut und Böse hinausgehend, während der Baum der Erkenntnis in vielen Traditionen mit der Vorstellung vom ersten Menschenpaar und seinem Fall aus dem paradiesischen Zustand verbunden ist. Der Baum des Kreuzes Christi war symbolisch aus dem Baum der Erkenntnis gefertigt, auf das Heil und Leben an dem Baum erfüllt würden, durch den Sündenfall und Tod gekommen waren. Es ist schon fast ein kleines Wunder, dass sich aus dem linken Stamm unserer Altar-Skulptur eine figurale Form entwickelt hat, die an den Torso eines Kruzifixes erinnert, welcher sich vom Kreuz zu lösen beginnt. Auf der linken geöffneten Brustseite des Torsos weist eine vergoldete Öffnung auf den heiligen Raum des Herzens und damit auf die reine Liebe des Erlösers hin. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Parallele zu den sogenannten Triumphkreuzen in mittelalterlichen Sakralbauten, wo sie zwischen Kirchenschiff und Altarraum Aufstellung fanden. Der Begriff Triumphkreuz verweist auf den Triumph des auferstandenen Christus über den Tod. Spannend ist hier der Vergleich mit einem steinernen Triumphkreuz in einer spanischen Kapelle aus dem Jahr 1504. Dort handelt es sich um ein Baumkreuz, in welchem das Kreuz Jesu aus dem Baum der Erkenntnis emporwächst. Als Sinnbild der immer währenden Erneuerung steht der Baum auch für die Erneuerung nach dem Kreuztod Christi. In unserem Altar des Lebens windet sich die goldene Schlange an zwei Stämmen empor. Als Tier, welches periodisch seine Haut erneuert, steht sie für Leben und Auferstehung und ist ein Sinnbild für Jesus. Im Sündenfall am Baum der Erkenntnis wird sie zum Symbol für Versuchung und die Mächte des Bösen, die der Mensch überwinden muß. Wenn sie indessen den Baum des Lebens umwindet, verkörpert sie Weisheit und ist wohltätig. Hier wird sie zur Erweckerin der dynamischen Kraft, dem Genius alles Wachsenden. In der griechischen Mythologie ist sie als Attribut von Hermes, Asklepios, Hippokrates und Hygieia ein Zeichen für Weisheit, Erneuerung des Lebens, Auferstehung und Heilung. Die Schlange als Kundalini, jene verborgene Energie, weist auf das schlafende Sein, welches zur Erweckung gelangt. Das reine, 24karätige Naturgold, mit welchem die sinnnstiftenden Elemente der Altarskulptur herausgehoben wurden, steht als Sonnenmetall für Erleuchtung, Heiligkeit, Unzerstörbarkeit und Beständigkeit. Es ist jenes Metall, welches das Gleichgewicht aller metallischen Eingenschaften verkörpert. Bekrönt durch die goldene Flamme über der blauen Perle entfaltet sich das fließende Gold der Skulptur auch als Manifestation des Göttlichen oder der Seele. Es symbolisiert in diesem Zusammenhang spirituelle Energie, Transzendenz und Einssein. Das Gold als Zeichen des inneren Feuers kann auch jene ambivalente Energie verdeutlichen, die sowohl das Schöpferische wie das Zerstörerische zum Ausdruck bringt. Sie verkörpert Wahrheit und Wissen, ist aber auch Verzehrerin von Lüge, Ignoranz, Illusion, Tod und die Unreinheit verbrennende Kraft. Die Feuertaufe stellt die ursprüngliche Reinheit wieder her, in dem durch sie die Schlacke weggebrannt wird. Dies soll deutlich machen, dass man das Feuer passieren muß, um ins Paradies zu gelangen. Die Blaue Perle unter der goldenen Flamme ist eine mit ultramarinblauer Glasur überzogene Keramikkugel. Choa Kok Sui weihte uns in die Bedeutung der blauen Perle als Same des Bewusstseins oder dauerhaften mentalen Samen ein, welcher im Kronenchakra und in der Zirbeldrüse sitzt. Meditiert man über einen gewissen Zeitraum regelmäßig über die blaue Perle, wird man sich allmählich seines wahren Selbst bewusst und erlangt Zugang zu seiner höheren Buddha-Natur. Die blaue Perle wird auch als das „Juwel im goldenen Lotus“ verstanden. Während der linke Stamm des Baum-Altars den Weg der Erweckung, Erleuchtung und Erlösung verkörpert, versinnbildlicht der rechte abgebrochene Stamm die Vergänglichkeit allen irdischen Seins. Er ist das Memento Mori (Gedenke des Todes), gemahnt uns an die Endlichkeit unserer physischen Existenz und daran, daß wir die kostbare Zeit, die wir auf Erden weilen, nicht vergeuden dürfen. Der mittlere Stamm im Hintergrund stellt den Fluß des Lebens dar. Er ist Ausdruck des beständigen Wandels in der Welt. Zugleich deutet er auf die Schöpferkraft, wie sie aus ihrer nichtmanifesten Quelle in die manifeste Welt fließt. Die Flüsse des Paradieses bringen geistige Kraft und Nahrung. Will man Erleuchtung erlangen, so muß der Fluß des Lebens bis zurück an Seine Quelle verfolgt werden. Der Fluß symbolisiert gleichsam die Reinigung des Anbetenden. Die Maserknollen inmitten des Flusses im Baum-Altar deuten auf die Hindernisse im Leben und verweisen darauf, dass auch wir nicht vor Hindernissen stehen bleiben, sondern uns wie der Fluß um sie herumbewegen sollen. Der Fluß im mittleren Stamm verbindet die linke und die rechte Seite des Altars, vereint Leben und Sterben, Werden und Vergehen und erinnert uns daran, dass wir immer wieder die Seiten wechseln. So ist der Fluß des Lebens immer der eine und doch stets ein anderer. Als Träger der Altarkerze steht symbolisch der Schoß – die Mutter Erde, deren Hauptsymbol die Höhle ist. Der Schoß ist auch das Nichtmanifeste, welches das Manifeste hervorbringt. Das Licht der Altarkerze über dem Schoß von Mutter Erde birgt die Wahrheit, dass wir erst inkarnieren müssen, um zur Erleuchtung zu gelangen.

Als spirituelle Skulptur gibt der Altar nicht das Sichtbare wieder, sondern will sichtbar machen und zur Kontemplation anregen. Seine kraftvolle Ausstrahlung gibt den Meditationen und der Pranaheilungs-Praxis eine wundervolle Energie. Seine Präsenz im Prana-Zentrum erinnert uns stets an den Sinn und die Kraft hinter unserem Wirken. Der Maler Paul Klee bekannte:“ Die Kraft des Schöpferischen kann nicht genannt werden. Sie bleibt letzten Endes geheimnisvoll. Wir sind selbst geladen von dieser Kraft bis in unsere feinsten Teile. Wir können ihr Wesen nicht aussprechen, aber wir können dem Quell entgegengehen, soweit es eben geht.“

Am 2. Oktober 2015 weihten wir den Altar in Gegenwart von Master Sai anlässlich 15 Jahre Pranaheilung in Dresden mit einer Meditation ein.

Literatur:

J.C.Cooper: Lexikon alter Symbole Sachs, Badstübner, Neumann: Christliche Ikonographie Master Choa Kok Sui: Om Mani Padme Hum, Die blaue Perle im goldenen Lotus

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