Ein Hexenschuss hatte mich plötzlich lahmgelegt. Steif und unbeweglich lag ich im Bett, unfähig aufzustehen und mich anzuziehen, ohne vor Schmerzen halb ohnmächtig zu werden. Ein Glück, dass wir Prana-Heilung erlernt haben, dachte ich zu meiner Beruhigung. Der Schmerz und die Gedanken an die vor mir liegenden Aufgaben und Termine waren jedoch zu präsent, um mich entspannt auf eine Selbstheilung einlassen zu können. Deshalb bat ich meinen Mann um eine Prana-Behandlung. Nachdem er das Nötigste zur Versorgung unserer Kinder und die dringendsten Arbeiten im Büro erledigt hatte, behandelte er mich sorgfältig mit Prana. Die Schmerzen veränderten sich nur minimal. Deshalb rief mein Mann am darauffolgenden Tag eine kompetente Orthopädin aus unserer Prana-Community an, um in Erfahrung zu bringen, was wir noch zur Verbesserung der Situation tun können. Das Telefon war auf Raumton gestellt, so dass ich aus dem benachbarten Zimmer das Gespräch verfolgen konnte: „Was können wir machen, Patricia hat einen Hexenschuss und kann vor Schmerzen nicht einmal aufstehen.“ Darauf antwortete die Ärztin freundlich aber bestimmt: „Sie hat jetzt auch nicht aufzustehen!“ Diesen Satz wiederholte ich danach fortwährend wie ein Mantra – Ich habe jetzt nicht aufzustehen … – und ergänzte für mich – … Ich kann jetzt so lange liegen, wie es gut für mich ist. Ich lasse alle Sorgen und Ängste los.
Das was ich mir lange nicht zugestanden hatte, meinem Bedürfnis nach Ruhe und Entspannung nachzukommen, ermöglichte mir jetzt mein heftiger Rückenschmerz. Allmählich konnte ich mein Symptom steif und unbeweglich zu sein, in freundlicher Betrachtungsweise als ruhig und still annehmen. Kurz darauf spürte ich ein warmes Pulsen im unteren Rücken. Beim nächsten Versuch aufzustehen bemerkte ich eine erste kleine Verbesserung. Unbewusst hatte ich die Zeit vor dem Hexenschuss zu viel Druck auf mich ausgeübt, wollte alle anstehenden Aufgaben mit gleicher Hingabe bewältigen und bemerkte in den Momenten, wo ich meinem Bedürfnis nach Ruhe ein wenig nachgab, wie mich schlechtes Gewissen bedrängte. Dann rechtfertigte ich mich vor mir selbst, dass ich ja regelmäßig körperliche Übungen und Meditation praktiziere. Das muss genügen!
Kann es also sein, dass ich in meiner Krankheit genau die Eigenschaften und Verhaltensweisen auslebe, die ansonsten nicht zulasse? Mein Heilungsprozess hängt also auch von meiner Bereitwilligkeit ab, mit dem Symptom Frieden zu schließen und mich nicht allein auf eine Behandlung von aussen zu verlassen, um von dieser eine möglichst rasche Beseitigung meines Leidens zu erwarten. So kann ich ein Symptom auch als Botschafter für mich verstehen, welcher eine von mir vernachlässigte Seite meines Wesens wahrnehmbar macht. Bin ich von einer solchen Einsicht durchdrungen, bewirkt auch die Prana-Heilung wesentlich schnellere Ergebnisse. Diese Erfahrung liegt nun sechzehn Jahre zurück. In meinem eigenen Prozess, bei der Arbeit mit Klienten und Seminarteilnehmern begleitet mich seither dieser Pfad des Annehmens und Loslassens als wesentlicher Schlüssel für einen erfolgreichen Heilungsverlauf.
Im Buch Prana-Selbstheilung weist Stephen Co auf dieses Thema mit einem Zitat des bekannten Psychologen G. Hendricks hin: „Alle negativen Emotionen sind sanfte, kurzlebige Wellen, wenn wir uns nicht dagegen wehren, sie zu empfinden.“ Akzeptieren wir unsere schwierigen Gefühle und Schmerzen nicht, oder versuchen diese zu verdrängen, erzeugt dies einen immensen inneren Druck, welcher auch den Fluß der Lebensenergie einschränkt. Körperliche und seelische Schmerzen zunächst einmal wahrzunehmen, zuzulassen und anzunehmen, sich ihnen zu ergeben, bedeutet keinesfalls sich hängen zu lassen oder aufzugeben. Ein Loslassen von Schmerzen, die ich zuvor nicht angenommen habe ist kaum möglich. Wir bleiben im Problem stecken.
Wenn wir mit dieser Strategie noch nicht so vertraut sind, tragen wir ein riesiges Reservoir angesammelter schwieriger Emotionen und nutzloser Überzeugungen mit uns herum. Der angestaute Druck macht uns unglücklich, verursacht jede Menge Probleme und auch körperliche Missempfindungen. Vielleicht waren wir auch schon an einem Punkt angelangt, wo wir uns mit diesem Zustand abgefunden hatten und der Meinung verfallen waren, dass dies zum Menschsein dazu gehört. Andererseits versuchten wir dennoch, mittels bewusster und unbewusster Ausweichmanöver dieser unangenehmen Lage zu entkommen. Die Gedanken als solche sind nicht schmerzhaft. Allein die Emotionen, welche mit ihnen verbunden sind, verursachen Schmerzen. Jene Wahrheit vermittelt uns auch Eckhard Tolle, ein großer Weisheitslehrer unserer Zeit, wenn er vom Emotionalkörper als dem „Schmerzkörper“ spricht. Der Schmerzkörper vieler Menschen befindet sich in einem dauerhaften Erregungszustand, was sich zerstörerisch auf ihre Persönlichkeit und ihr Umfeld auswirkt. Angesammelter Druck von schwierigen Gefühlen produziert immer neue Gedanken. Oft sind es nicht enden wollende Gedankenketten, welche sich um nur eine schmerzliche Erinnerung ranken. Gelingt es uns, dieses schmervolle Gefühl anzunehmen, sich ihm zu ergeben und es danach loszulassen, indem wir nicht mehr länger mit ihm identifizieren, würden all diese Gedanken verschwinden. Darin erfüllt sich der Sinn jeglicher Vergebungspraxis.
David R. Hawkins, Mediziner, Wissenschaftler und Mystiker, analysiert in seinem Buch „Loslassen – Der Pfad widerstandsloser Kapitulation“ eindrucksvoll, mit welchen Methoden der Mensch vergeblich seinem Gefühlsdrama zu entkommen versucht und auch, welch einfache Strategie aus dem Dilemma führt. Hawkins stellt zunächst die üblichen Arten, mit schmerzhaften Emotionen umzugehen vor: Diese sind Verdrängung und Unterdrückung, Ausdruck und Flucht.
Verdrängen und Unterdrücken
Wenn wir schwierige Gefühle verdrängen, liegt es daran, dass so große Schuldgefühle und Angst mit diesem Gefühl einhergehen, dass es kaum bemerkt, sofort ins Unbewusste gestoßen wird. Auf Grund von Schuld und Angst verdrängen wir die urteilsfreie Wahrnehmung in uns. Anstatt es zu fühlen, projizieren wir was uns schmerzt auf die Welt, auf andere Menschen und die uns umgebenden Umstände. Projektion ist ein sehr häufig angewandter Mechanismus in der heutigen Zeit. Im größeren Maßstab ist er sogar ein Auslöser für Konflikte, Unruhen und Kriege. Es ist zur gesellschaftlichen Normalität geworden, den sogenannten Feind zu hassen. Wir beziehen unseren Selbstwert auf Kosten anderer Menschen. Das spaltet schließlich die Gesellschaft. Der Mechanismus der Projektion liegt jedem Angriff, aller Gewalt und Aggression und jeder Form gesellschaftlicher Zerrüttung zu Grunde. Wir befinden uns gegenwärtig inmitten eines solchen Prozesses. Im Unterschied zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verfügen wir heute jedoch über weitaus größere Möglichkeiten von Teilhabe an der Vielfalt geistiger Entfaltungsmöglichkeiten, einer weltweiten Friedensbewegung und einer dynamischen spirituellen Entwicklung.
Anhaltendes Verdrängen von Gefühlen verursacht Stimmungsschwankungen, Schlaflosigkeit, Reizbarkeit, Bluthochdruck, Allergien und andere psychosomatische Leiden. Dies wiederum führt immer mehr Betroffene auf die Suche nach einer wahrhaftigen Lösung und letztendlich auf den Weg der Erkenntnis. Somit wird das Leid immer mehr zum Auslöser des Erwachens.
Ausdruck
Viele Menschen glauben, dass das Ausdrücken ihrer unangenehmen Gefühle im Aussen, sie von diesen befreit. Das Gegenteil tritt ein. Wir verbreiten und verstärken das Gefühl und verleihen ihm so noch zusätzliche Energie. Laden wir unsere angestauten Emotionen auf unseren Mitmenschen ab, erleben sie dieses Verhalten als Angriff. Das führt zur Verschlechterung und Zerrüttung von Beziehungen. Öfter wird das Zulassen von schwierigen Gefühlen mit dem Auslassen an Anderen verwechselt. Übernehmen wir hingegen Verantwortung für unsere Gefühle, sind bemüht, uns nicht mit ihnen zu identifizieren und diese schließlich zu neutralisieren, befinden wir uns auf dem richtigen Weg.
Flucht
Flucht ist ein weiterer Versuch, unangenehmen Empfindungen durch Ablenkung zu entkommen. Auf diesen Ausweg zielt im Wesentlichen die Unterhaltungs- und Genussmittelindustrie ab. Aber auch der Workaholic und der sich durch eine endlose Vielzahl von Aktivitäten ablenkende Mensch, flüchtet vor seinem innersten Wesen. Diese Flucht kann sich von einer Neigung zu einem Suchtverhalten entwickeln, welches unbewusst aufrechterhalten wird, um die Gefühle davon abzuhalten an die Oberfläche zu kommen. Mit der rasant fortschreitenden Digitalisierung des Alltags weiten sich die Fluchtmechanismen gegenwärtig ins Unermessliche aus.
Wollen wir unangenehme Gefühle loswerden, geht es immer zuerst darum, die Emotion zur Kenntnis zu nehmen, sie zu akzeptieren, ihr zu erlauben da zu sein. Jeder Widerstand gegen die Emotion lässt sie fortbestehen. Indem der Mensch gegenwärtig wird, seinen Schmerz wahrnimmt ohne sich mit ihm zu identifizieren, wird er sich dessen bewusst, dass es eine Instanz jenseits des Schmerzes gibt. Sich gegen etwas zu sträuben, was vorhanden ist, erzeugt immer Schmerz. Es ist so, als ob du mit deinen Händen gegen eine Wand drückst, um sie weg zu schieben. Die Wand bleibt bestehen, deine Hände schmerzen. Lässt du los und trittst zurück, verliert sich der Schmerz in deinen Händen und deine Perspektive weitet sich.
Sicher hast du inzwischen bemerkt, dass du diesen Mechanismus schon oftmals erfolgreich in deinem Leben angewandt hast. In dem Moment, wo du loslässt, öffnest du dich für einen anderen Weg. Im täglichen Leben machst du immer wieder die Erfahrung, dass angestrengtes Suchen nach einem Begriff oder Gegenstand selten erfolgreich ist. In dem Moment, wo du loslässt und vertraust, präsentiert sich die richtige Lösung. Du musst dich nur immer wieder an die Strategie des Annehmens und Loslassens erinnern. Dies wird sich heilsam auf alle Bereiche deines Seins auswirken, dein spirituelles Wachstum voran bringen und deine Erfüllung im Leben Wirklichkeit werden lassen.
Dipl.-Phil. Patricia Gulde
Quellen:
C. Kössner, Dr. L. Leeb, A. Senger. Meine Krankheit spiegelt mich
Stephen Co & Dr. Eric Robins. Prana-Selbstheilung
Eckhard Tolle. Eine neue Erde
Dr. med., Dr. phil. David R. Hawkins